bsp4_1Museen und Kultureinrichtungen sehen sich heute vor einer großen Herausforderung in ihrer Publikumsansprache, da sich Erwartungen und Aufmerksamkeitsschwellen ihrer BesucherInnen geändert haben. So wollen gerade junge Menschen Ausstellungen nicht mehr bloß besuchen, sondern auch etwas mit dem ihnen gebotenen Informationen und Inhalten tun, diese aktiv kommunizieren, teilen und weiterleiten, aber auch verändern. Museen und Galerien werden von Orten reiner Präsentation und Information zu Orten des Mitmachens und Austauschens. Dieser Paradigmenshift betrifft die gesamte Kommunikation von Kulturinstitutionen, gerade wenn sie mit aktuellen Themen und zeitgenössischer Kunst zu tun haben. Im Marketing wird daher versucht, traditionelle Werbekampagnen und Pressebeziehungen um neue Below-the-line und Beyound-the –Wall-Maßnahmen, Social Media-Ansätze und Eventinszenierungen zu erweitern.

Das Praxis-Projekt „Kommunikation auf Augenhöhe oder wie bringe ich junge Menschen ins Museum?“ des Wahlfachs NPO-Kommunikation inszenierte unter der Leitung der Lektorin Barbara von Rechbach Vorschläge einer „Kommunikation auf Augenhöhe“ für Kulturinstitutionen. Besondere Berücksichtung fanden die Institutionen im MuseumsQuartier Wien, einem prominenten Ort mit vielfältigen – konkurrierenden! – Freizeitangeboten im Zentrum Wiens.

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Ziel des Praxis-Projekts war es, junge Menschen für das MUMOK Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien zu gewinnen und zu einem Museumsbesuch zu bringen. Über ungewöhnliche Kampagnen sollte die hohe Media Literacy und Medienkompetenz der jungen Zielgruppe angesprochen werden.

Gefragt waren Ideen und Konzepte mit Augenzwinkern, die kreativ die besonderen Bedürfnisse Jugendlicher und  junger Erwachsender erfüllen. Die große Herausforderung war es, die junge Zielgruppe für ein Museums eher klassischen Typs zu interessieren, andererseits dem Museumsmarketing einen neuen, passenden Zugang in der Verwendung von Social Media Maßnahmen für modernen Kunst  nahe zu bringen, ohne Kerninhalte und Markenbotschaften dieser großen Kulturmarke zu verwässern.

Nach dem Kick-Off im MUMOK Wien mit Marketingchef Wolfgang Schreiner hatten die TeilnehmerInnen nur fünf Wochen Zeit, „Kommunikation auf Augenhöhe“ zu entwerfen, also Kampagnen anzudenken,  die sie selbst gern sehen würden.

Trotz des sehr knappenzeitlichen Rahmens, gelang es den Studierenden, sehr vielseitige Projektideen zu skizzieren, entwerfen  und sogar – in Form von Viralen Videos und Facebook Kampagnenen – umzusetzen. Die Projektideen fokussierten mit einer „Kommunikation zum Mitmachen“  die zielgruppengerechte Anwendung digitaler und sozialer Technologien und Netzwerke (wie emotionaler Webauftritt, Facebook Pages, flickr und persönliche Blogs), die Erweiterung des Marketings zu Workshops, Events und Wettbewerben bis hin zur Entwicklung von Beyound-the-Wall-Entwürfen von Augemented Reality Games und interaktiven Installationen im öffentlichen Raum.

Eine Auswahl der besten Ideen wollen wir Ihnen gerne vorstellen.

(Text: Barbara von Rechbach)


1. Lass dich ins MUMOK entführen!

(von: Theresa Steininger, Elias Ruez, Benedikt Schmidinger)

FHWien_KOMM_Mumok_Video1Die Grundidee der Kampagne, welche durch das Video „Lass dich ins MUMOK entführen“, verbildlicht wird, basiert auf der Tatsache, dass junge Menschen weniger freiwillig ins MUMOK gehen weil ihnen der Zugang zu moderner Kunst fehlt. Daher muss man ihnen Möglichkeiten bieten, das MUMOK kennen zu lernen. Sie müssen gezerrt, sie müssen entführt werden. Deshalb „entführen“ wir junge Leute ins MUMOK.

Die Jugend ist gut über moderne Maßnahmen wie Flashmobs und Viral-Videos  besonders gut zu erreichen. Außerdem ist sie mobil und möchte mit möglichst geringem Aufwand und möglichst unkompliziert ans Ziel.

Maßnahmenpakete:

* Idee 1: Flashmob

Auf belebten Einkaufsstraßen tauchen plötzlich Lieferwagen mit vermeintlichen Entführern auf, die vermeintliche Passanten in den Lieferwagen zerren und entführen“. Die anderen Passanten wundern sich und lesen am Lieferwagen den Slogan „Lass dich ins MUMOK entführen!“. Diese Entführungen werden von vermeintlichen Passanten gefilmt und landen als Viral-Videos im Internet und auf Online-Plattformen.

Diese Maßnahme erzeugt Aufmerksamkeit und startet die Kampagne.

* Idee 2: Shuttle-Busse

Zu einem späteren Zeitpunkt bietet das MUMOK Shuttle-Services von 10 ausgewählten und stark frequentierten Orten in ganz Wien ins MUMOK. Diese Shuttle-Busse bieten gratis Hin- und Rücktransport und freien Eintritt ins MUMOK. Der Slogan „Lass dich ins MUMOK entführen!“ wird für alle erfahrbar gemacht.

Diese Maßnahme soll Personen einen ungezwungenen und unkomplizierten ersten Eindruck vom MUMOK bieten. Das verringert den Planungsaufwand für einen kurzen Museumsbesuch und senkt die Hemmschwelle für museumsferne Schichten, ein Museum für moderne Kunst zu besuchen.

* Idee 3: Fernsehentführungen

Parallel zu den anderen Maßnahmen werden aus zielgruppennahen Fernsehsendungen Moderatoren „entführt“. Der Slogan „Lass dich ins MUMOK entführen!“ wird im Zuge der Aufklärung des Vorfalls in der Sendung kommuniziert.

Diese Maßnahme erzeugt weiteres Interesse und schafft eine breite Basis an Medienaufmerksamkeit und Neugierde bei den Zusehern.

Mit diesen drei Ideen bietet die Kampagne „Lass dich ins MUMOK entführen!“ starke Aufmerksamkeit zu einer, im Vergleich zu klassischen Werbeformen, günstigen Möglichkeit junge Menschen von einem Museumsbesuch zu begeistern da sie ins MUMOK nicht gebeten sondern „entführt“ werden.

2. NICHT 08/15

(von: Angela Djuric, Claudia Kirch, FlorianVorraber)

FHWien_KOMM_Mumok-Projekt_0815Das MUMOK als Museum für moderne Kunst im Wiener Museumsquartier richtet sich an eine kulturinteressierte Zielgruppe, bestehend aus jungen WienerInnen bis 40 Jahre. Das Museum ist einzigartig, da sich das Angebot auf alle Facetten der modernen Kunst konzentriert und in Wien somit „unique“ ist. Das Angebot hebt sich durch diese Besonderheit von anderen Wiener Museen ab und spricht somit eine bestimmte, speziell interessierte Zielgruppe an. Im Sommer 2011 ist das Museum von Mai bis September aufgrund von Umbauarbeiten geschlossen.

Die Aufgabe besteht darin, jene Gruppe der Studierenden anzusprechen, die sich für moderne Kunst interessiert. Social Media soll hierbei als zentraler Kanal fungieren. Dafür sollen konkrete Ideen gefunden werden, die im Zeitraum vor, während und nach dem Umbau umgesetzt werden.

Die anzusprechende Gruppe ist wie bereits erwähnt an moderner Kunst interessiert und hat ein gewisses Individualitätsbewusstsein und das Bedürfnis, sich selbst als möglichst besonders und interessant darzustellen. Sie will nicht gewöhnlich sein.

Strategie

Um die angestrebte Selbstverwirklichung der Zielgruppe zu unterstützen, muss das MUMOK seine Außergewöhnlichkeit unterstreichen. Damit wird die Identifikation Zielgruppe mit der Einrichtung ermöglicht.

Das MUMOK und seine BesucherInnen sind nicht gewöhnlich, sie sind nicht 08/15. Die Strategie greift genau diese Gemeinsamkeit auf und folgt dem Claim: NICHT 08/15. Sie wird ver- wirklicht, indem Spannung aufgebaut sowie die Zielgruppe involviert und schließlich zum MU- MOK geführt wird. In der Kommunikation muss kein relevanter Content mehr geschaffen wer- den, da er bereits besteht, denn Kultur selbst ist Content.

Passend zum Museum wird die Leitidee auf eine künstlerische, außergewöhnliche Art und Weise umgesetzt.

Maßnahmenpakete

Zunächst wird eine Stickeraktion durchgeführt, die Aufmerksamkeit und Interesse weckt. Über die Stickeraktion werden die (potenziellen) BesucherInnen auf die eigens erstellte Facebook Page gelockt, wo sie sich aktiv mit dem rätselhaften Inhalt der Sticker auseinandersetzen können. Um die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, werden in Form von Viral-Videos immer wieder Anreize geschaffen und neue Diskussionsinhalte aufgeworfen. Auf Facebook wird dann letztendlich auch das Geheimnis gelüftet und die dritte Maßnahme angekündigt: Das Event „MUMOK 09/15“.

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3. „Nicht sehen, nicht verstehen, weitergehen“

(von: Theresa Hochgerner)

FHWien_KOMM_Mumok-Projekt_Video2 (ACHTUNG: Dieses Video enthält rechtlich geschütztes (Musik)Material. Es darf nicht verbreitet oder bearbeitet werden.)

4. MUMops

(von: Florian Jakits)

Das MUMOK gilt als größtes österreichisches Museum für internationale moderne und zeitgenössische Kunst. Es versucht, die Gesellschaftsrelevanz des Mediums Kunst zu vermitteln und pocht dabei auf einen internationalen Kontext in seinem lokalen Umfeld. Aktuell versucht sich das museumseigene Marketing in der Ansprache neuer Zielgruppen, primär mit einem Facebook-Auftritt. Damit können kulturaffine Personen sowie lose an Kultur interessierte Personen in einem sozialen Netzwerk erreicht werden und gelten daher als Zielgruppen. Diese werden alternierend in Deutsch und Englisch angesprochen, was hier – passend zur Gesamtausrichtung – auf einen internationalen Fokus schließen lässt. 7.669 Fans (Stand: 20.04.2011) sind eine nennenswerte, aber ausbaufähige Zahl.

Ziel

Es sollen die angesprochenen Zielgruppen erreicht werden. Ein besseres Standing unter den österreichischen Museen (national und international) sowie steigende Besucherzahlen sind im Optimalfall die Folge.

Eine Ansprache via Facebook ist gut um online-affines Publikum zu erreichen – aber noch keineswegs originell. Ebenso ist Facebook nur ein Medium, wobei das MUMOK ebenfalls mit etwa Zeitungsbeilagen oder Broschüren operiert und hie und da gute Ambient Aktionen (Stichwort Haus am Dach) vorweisen kann. Was bislang gefehlt hat, ist ein „Gesicht“ des Museums. Da auch die innerstädtische Konkurrenz ein solches nicht besitzt, besteht hier Potenzial um sich aus dem vorhandenen Einheitsbrei hervorzuheben. Dies kann mit einer übergreifenden Idee für alle Kommunikationsmaßnahmen geschehen.

MUMops. Auf den ersten Blick hat ein Mops eventuell eine eigenartige Optik. Genau das ist aber Grund genug, näher hinzusehen. Der zweite Schritt wirft nämlich gleich die nächste Frage auf: „Wer ist oder was bedeutet MUMops?“. Spätestens dann macht sich der Interessent daran, den Hintergrund des Mops ausfindig zu machen. Anders als bei Zeitungsbeilagen kommt also das MUMOK nicht zum Kunden – sondern umgekehrt.

Fest steht: Damit wäre aber nur ein kleines Teilstück erreicht. Natürlich braucht der Hund – ähnlich wie das für Bio appellierende Schweinderl oder die Milch spendende Kuh eine Rolle, einen Auftrag. Es besteht daher die Möglichkeit, den Hund „sprechen“ zu lassen (eine Fähigkeit die ihm als Werbefigur zuteil wird). So könnte er via viral videos, podcasts oder auch bei schriftbezogenen Inhalten wie etwa auf Facebook oder sogar bei Druckmitteln mittels Sprechblasen zu Wort kommen.

Dabei sollte er Tipps zu bestehenden Ausstellungen im MUMOK geben und den Besucher animieren, einen Besuch zu tätigen.

Maßnahmen

Der Hund stellt am Anfang eine große Unbekannte dar. Mit Ambient Ideen oder schlichten Flyer- Aktionen kann leicht Aufmerksamkeit generiert werden:

Flyeraktion

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Die Flyer könnten bei Kunst- und Kulturveranstaltungen mit potenzieller Langatmigkeit oder auch bei Jugendevents verteilt werden. Sie dienen als eine Art „Teaser“ und beinhalten wenn überhaupt nur sehr reduzierte Informationen. Ein Link zur Facebook- Page wäre eine Alternative.

Virales Video

bsp4_3Virale Videos mit Tieren sorgen in regelmäßigen Abständen auf youtube für Furore. So auch jenes eines „I love you“ bellenden Mops in einer Talkshow.

Der MUMops soll sich bewusst von diesen „realen“ Wortspenden distanzieren und bewusst in die Rolle des Tipps erteilenden Ratgebers schlüpfen. Dies könnte anhand des durch einen sprechenden Hund durchaus gegebenen Überraschungseffekts in einer „slice of life –Situation“ dargestellt werden.

Ambient Media

bsp4_4Das Areal rund um das Museumsquartier Wien scheint wie gemacht für den Einsatz von Ambient Media Aktionen. Insbesondere das MUMOK beziehungsweise das Gebäude an sich bieten Raum für Originialität. Dabei kann gerade der MUMops inszeniert werden.

Die gezeigten Maßnahmen sind nur Anregungen und zeigen auf, dass es dafür einen beliebig dehnbaren Raum gibt. Speziell nachdem Bewusstsein für den MUMops und seine Funktion geschaffen wurde, müssen die Botschaften des MUMOK mithilfe dieser Werbefigur transportiert werden. Falls diese Linie konstant eingehalten und auf allen Kanälen auffindbar sein wird, kann sie erfolgsversprechend sein. Das bedeutet nicht nur mehr Mitglieder in der Facebook-Gruppe sondern auch mehr Zuspruch bei den Besuchern des Museums.

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