Gibt zum Abschied ein leises Interview

Christina Leitner, längstdienende Bereichleiterin des KOMM-Teams, erfüllte sich einen Traum. Den Traum von höheren akademischen Weihen. Da sich die Arbeit an ihrer Dissertation nicht mit ihrem Engagement als Bereichleiterin vereinbaren ließ, kehrte sie weinenden Auges der KOMM den Rücken und blickt lachenden Auges in die nähere Zukunft, in der sie sich  ihrer Doktorarbeit widmen wird. Zum Abschied zog sie im Gespräch mit Ulli Koch und Peter Dietrich eine durchwegs positive Bilanz.

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Wie ist es nicht mehr an der KOMM zu sein?

Ich bin ja erst seit drei Tagen weg und gewöhne mich noch an die neue Situation (Anm. das Gespräch fand am 6.10.2011 statt).

Wie hat dein Leben in diesen letzten drei Tagen ausgesehen?

Es hat sich vor allem um unser neues Familienmitglied gedreht. Wir haben einen Hund bekommen, um den ich mich jetzt primär gekümmert habe. Soviel zum Thema ich gehe weg, um meine Dissertation zu schreiben… (lacht). Aber ab nächster Woche sieht das anders aus.

Du verlässt und ja nicht komplett sondern bleibst uns als externe als Lektorin noch erhalten, oder?

Genau, ich betreue noch Bachelor- und Diplomarbeiten.

Du bist jetzt 6,5 Jahre an der KOMM gewesen…

Seit März 2005.

… wie war das, als du damals an die KOMM gekommen bist? Und wie hat sich das überhaupt ergeben?

FHWien KOMM CLE_3Ich habe das Inserat gesehen und mir gedacht: Das ist das, was ich möchte. Das passt zu meinem Erfahrungsbackground mit dem Schwerpunkt auf Marketing, Kommunikation und Integrierte Kommunikation. Das schließt auch inhaltlich an meine Arbeit, die ich damals bei General Motors Europe, konkret Opel, gemacht habe an. Damals gab es übrigens noch keinen Campus, da waren wir noch im WIFI-Gebäude untergebracht. Die FHWien, wie sie heute aufgestellt ist, ist in keiner Weise mit der bei meinem Arbeitsbeginn vergleichbar. Unglaublich, was sich in etwas mehr als sechs Jahren getan hat. Das neue Campusgebäude, die gesamte Infrastruktur, die Umstellung vom Diplomstudium auf das Bachelor- und Mastersystem…

Was hat sich seit 2005 getan und was war dein Beitrag?

Die größte Änderung war der Umbau des Hauses und dass die KOMM deswegen für zwei Jahre an den Wienerberg gezogen ist. Ich glaube, das war sehr wichtig für die Entwicklung der KOMM, da sich dadurch eine Community entwickelt hat. Am Wienerberg war klar, dass die Menschen am Gang entweder MitarbeiterInnen, Lehrende oder Studierende der KOMM sind. Im alten FHWien- bzw. WIFI-Gebäude war nicht klar, zu welchem Institut oder zu welchem Teil des WIFI die Person am Gang gehört oder ob sie  ein externer Gast war. Die Übersiedlung ins Büro am Wienerberg“ hat sehr viel zum Selbstverständnis und zur Identität der KOMM beigetragen.

Der nächste große Schritt war die Bologna-Umstellung und die neuen Curricula, die wir gemeinsam im Team entwickelt haben. Ich erinnere mich noch an Nächte, in denen wir bis zwei Uhr in der Früh am Wienerberg gesessen sind und die neuen Bachelor- und Master-Curricula diskutiert haben. Das war auch ein großer inhaltlicher Schritt für das Institut, weil wir von Grund auf überlegt haben, was am bisherigen Curriculum gut ist, welche neuen Themen relevant sind und wie das Curriculum verbessert werden kann.

Das waren die zwei größten Meilensteine. Und dann natürlich die Rückkehr an den neu gebauten Campus, die Implementierung des Bachelors im Jahr 2008 und des Masters im Jahr 2010 und allgemein das Wachstum an der FHWien. Seit damals ist die FHWien um mindestens ein Drittel gewachsen. Jetzt sind mehr MitarbeiterInnen beschäftigt und das nicht nur in den zentralen Bereichen, sondern auch in den Instituten. Das Auftreten hat sich dadurch verändert und die gesamte Organisationsstruktur. Die KOMM selbst ist auch stark gewachsen. 2005 waren vier Ganztags- und eine Halbtagskraft beschäftigt, inzwischen zählt das Team neun Köpfe.

Wir haben uns also genau verdoppelt.

Und das spiegelt sich auch sehr stark in der hohen Qualität wider, sei es in der Lehre, der Forschung oder  der administrativen Organisation.

Was ist eigentlich das Thema deiner Dissertation?

FHWien KOMM CLE_4Ich schreibe zum Thema berufliche Auszeit zwischen persönlichen und betrieblichen Anforderungen. Berufliche Auszeit entweder in Form eines Sabbaticals mit Rückkehr in das Unternehmen oder  als Bruch, um sich anschließend beruflich neu zu orientieren. Ich beleuchte einerseits die  Situation von Personen, die sich eine Auszeit nehmen und andererseits die Unternehmensseite, wo ich vor allem  Interviews  mit HR-ManagerInnen führe. In diesem Bereich stellt sich die Frage, vor welchen Herausforderungen ein Unternehmen steht, vor allem bei einem Sabbatical, wenn die Person wieder in das Unternehmen zurückkehrt – was heißt das für die Organisation? Welche Herausforderungen stellen sich da und wie bereitet man sich darauf vor?

Du bist ja auf das Thema gekommen, weil du selbst vor einiger Zeit ein Sabbatical gemacht hast. Würdest du die Zeit, die du jetzt nur mit deiner Dissertation verbringst, genauso sehen oder hat das noch einmal einen anderen Stellenwert für dich?

Begrifflich fällt das, was ich jetzt mache, in die Definition der beruflichen Auszeit hinein. Diese momentane Auszeit hat aber einen anderen Stellenwert für mich, weil ich bei meiner ersten Auszeit die Zeit dazu genutzt habe, eine Weltreise zu unternehmen. Vor meiner ersten Auszeit hatte ich sieben Jahre im Ausland gearbeitet und die Pause vom Berufsleben war für mich ein Schnitt, um wieder nach Wien zurückzukehren, das Kapitel Automobilindustrie abzuschließen und mich beruflich neu zu orientieren, sprich in den Bildungsbereich zu wechseln. Meine jetzige Auszeit dient auch dazu, mich im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens und der Forschung mehr zu qualifizieren. Aber um auf die Frage zu antworten: es ist anders. Die Weltreise war mehr plaisir, das jetzt ist Arbeit.

Du hast über die Neuorientierung danach gesprochen. Hast du schon eine Idee wie es nach der Dissertation weitergeht?

Ich mache mir natürlich Gedanken, aber das ist jetzt noch nicht vorrangig. Oberste Priorität und Konzentration gilt meiner Dissertation. Aber ich werde auch parallel dazu beginnen mich zu bewerben, wobei ich aus heutiger Sicht allen Optionen gegenüber offen bin. Ich kann mir also durchaus vorstellen wieder in die Privatwirtschaft zurückzukehren. Ich beschäftige mich schließlich auch mit einem Thema, das für die Wirtschaft von großer Relevanz ist und immer mehr an Bedeutung gewinnt. Im Endeffekt ist die berufliche Auszeit für mich auch eine Möglichkeit zu überlegen, wo die nächsten Schritte hinführen sollen.

Hast du dir eine Deadline bis zur Fertigstellung der Doktorarbeit gesetzt?

FHWien KOMM CLE_2So rasch wie möglich. Es wäre natürlich sehr schön, wenn ich eine Rohversion fertig hätte, bevor ich wieder zu Arbeiten beginne. Ich habe hier schon gemerkt, dass es schwer ist neben einem 40 Stunden Job – der doch deutlich mehr als 40 Stunden ausmacht – eine Dissertation zu schreiben. Ich denke aber schon, dass es möglich sein muss an der Feinversion und der Überarbeitung neben dem Job zu arbeiten. Also die Grobversion sollte möglichst bald stehen.

Welche Highlights bleiben dir aus 6,5 Jahren an der KOMM in Erinnerung?

Ein Highlight ist sicher die Entwicklung des Curriculums. Wir alle hatten danach das Gefühl, dass sich die ganze Energie und der  investierte Hirnschmalz ausgezahlt haben. Ein persönliches Highlight in der Lehre ist Lehr- und Lernmethode Problem-Based-Learning (PBL). Es macht einfach Spaß zu sehen, welche Energien da bei den Studierenden freigesetzt werden. Weiters erinnere ich mich an tolle Konferenzen, vor allem jene bei der ich meine Studie zum Thema Lernkultur vorstellen konnte. Aber auch die Entwicklung des Assessment Centers für Master BewerberInnen war eine ganz besondere Aufgabe.

Welche Praxis-Projekte sind dir am besten in Erinnerung geblieben?

Ja, da waren sehr viele spannende Projekte dabei, viele interessante Auftraggeber, viele unterschiedliche Herangehensweisen. Das Projekt mit Schloss Hof ist mir z.B. visuell besonders gut in Erinnerung geblieben. Schloss Hof ist ja ein Barockschloss und eine Studierendengruppe hat sich vom Kostümverleih Barockkostüme ausgeborgt und darin auch die Präsentation gehalten. Das hat das Flair von Schloss Hof noch einmal gut verdeutlicht. Eines meiner ersten Praxis-Projekte war mit dem ersten Vollzeit Diplomstudiengang, der an der Vermarktung des österreichischen Films Nitro von David Schalko und Mike Majzen gearbeitet hat.  Eine Idee war die Vermarktung in Lokalen, da bin ich dann mit den Studierenden zur Recherche durch die Lokale gezogen. Das war wirklich lustig und herausgekommen ist  auch ein wirklich gutes, integriertes Konzept.

Gibt es auch Lowlights?

Die KOMM hat eine sehr bewegte Geschichte hinter sich. Das war nicht immer lustig, vor allem jene Phase, in der eine starke personelle Fluktuation vorgeherrscht hat. Das war eine sehr unruhige Phase, die aber auch zu dem beigetragen hat, wo und wie die KOMM heute da steht. Aber ein richtiges Lowlight als singuläres Ereignis, fällt mir eigentlich keines ein…

Was wird dir am meisten fehlen?

Am meisten wird mir sicher das Team fehlen und auch die englischen PBL-Lehrveranstaltungen, auf die ich mich jedes Mal sehr gefreut habe. Die Diskussionen im Team und das gemeinsame Suchen nach Lösungen, werden mir fehlen.. Also dieses Teamgefühl wird mir fehlen. Aber auch die Zusammenarbeit mit den LektorInnen meines Fachbereichs. Weniger fehlen wird mir hingegen die Kantine: Das habe ich heute wieder beim Mittagessen gedacht (lacht).

Was wird uns als KOMM-Team fehlen?

Das wandelnde Englischwörterbuch (lacht). Ein kritischer Geist, der Sachen hinterfragt. Teilweise wird es euch bestimmt freuen, dass nicht noch einmal alles hinterfragt wird. Das war schon mein Part im Team zu schauen, ob alles stimmt, logisch ist, ob es Widersprüche gibt. Aber ich frage euch: „Was wird euch fehlen?“

Ulli Koch: Mir wird deine „Zensur“ fehlen, deine Unterstützung bei der Formulierung von viel diplomatischeren E-Mails als ich sie jemals verfassen könnte.

Peter Dietrich: Mir wird eine meist gut gelaunte Teamkollegin fehlen. Du warst selten – und wenn doch, dann – nie lange grantig. Mit deiner positiven Grundhaltung hast du immer für gute Stimmung gesorgt.

Was wir den Studierenden fehlen?

FHWien KOMM CLE_1Auf jeden Fall eine PBL-Lektorin, da es da ja noch nicht so viele gibt. Eine Lehrende, die sich fragt, wie sie mit dem Setting arbeiten, wie sie Feedback geben kann, so dass die Studierenden selbst mit möglichst viel Freude an einem neuen Thema arbeiten und Lust haben etwas Neues zu erfahren, etwas zu lesen, zu recherchieren. Ich glaube, Lernen geht nur dann, wenn es in einer angenehmen Atmosphäre stattfindet und das habe ich bei PBL umgesetzt und ich glaube es ist mir auch gelungen.

Was wird den Lehrenden fehlen?

Viele Lehrende haben mir zu meinem Abschied für die Unterstützung, vor allem in didaktischen Fragen, den fachlichen Austausch, das  unkomplizierte Besprechen von Problemen und  mein offenes Ohr für Verbesserungsvorschläge gedankt.

Mit welchem Gefühl gehst du raus in die zweite Woche, wenn schon etwas mehr Abstand zur KOMM da ist und die Dissertation näher gerückt ist?

Mit einem sehr guten. Es steigt die Vorfreude auf etwas Neues, Spannendes und ich freue mich darauf, mich in die Dissertation hineinzustürzen. Aber auch mit dem  Gefühl hier etwas Gutes zurückzulassen. Ein gutes Gefühl zu gehen und gleichzeitig zu wissen, mit einem guten Gefühl zurückkommen zu können, so wie heute. In jeder Weise positiv, im Gehen wie im Weitergehen.

Liebe Christina, vielen Dank für das Gespräch, die gemeinsame Zeit und alles, alles Gute!

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