Entzauberung von PR-Mythen rund ums Social Web
Die Vernetzungsmöglichkeiten des Social Web werden in der PR-Branche stark wertend diskutiert. Entweder es werden daran euphorische Versprechen oder Bedrohungsszenarien geknüpft. Winklers Arbeit relativiert diese Einschätzungen und zeigt neue Herausforderungen für die Branche auf.
Fragliche Netzwerkrhetorik rund ums Social Web
Unter dem Schlagwort des Netzwerks werden in der Online-PR aktuell höchst unterschiedliche, zum Teil widersprüchliche Erwartungen abgehandelt. Diese reichen von Meinungsaustausch, über offene Zusammenarbeit bis hin zu einseitiger Wertschöpfung. Dabei bleiben Erkenntnisse der jüngeren Webforschung weitgehend ausgeblendet: Meinungsbildung im Web erweist sich oftmals nicht nur inhaltlich als wenig gehaltvoll. Sie wird vor allem auch technisch von Webalgorithmen vorangetrieben. Zusammenarbeit im Web wiederum bringt häufig Streitigkeiten um Einfluss und Nutzungsrechte mit sich, die erneut auf technischer Ebene reguliert werden. Schließlich erweisen sich auch ökonomische Erwartungen zu Schwarmintelligenz und Viralität im Web als Mythen, gegen deren Eintreffen neben inhaltlichen auch technische Eigenschaften des Webs sprechen.
Alternative Betrachtung aktueller Netzwerkbildungen im Social Web
Angesichts dieser Erkenntnisse rät Winklers Arbeit zu einer alternativen Herangehensweise an Vernetzungsformen im Social Web, die inhaltliche und technische Eigenschaften gleichwertig betrachtet. Auf der Basis zeigt sich, dass es um die viel beschworene Offenheit und Gleichberechtigung von Nutzungsmöglichkeiten im Social Web bescheiden bestellt ist. Aktuelle Webanwendungen sind vielmehr von neuen Formen der Nischen- und Hierarchiebildung geprägt. Um mit diesen zurande zu kommen, bedarf es eines neuen Selbstverständnisses der PR.
Ein neues Selbstverständnis einer „PR der nächsten Gesellschaft“
Dieses neue Selbstverständnis der PR setzt auf medialer, kultureller und struktureller Ebene an. Medial gilt es anzuerkennen, dass man es im Web mit einem Medium zu tun hat, dessen primärer Fokus nicht auf der Verbreitung von Inhalten liegt, sondern deren technischer Speicherung und Verrechnung. Kulturell wiederum geht es um die Erkenntnis, dass sich einseitige Kontrollfantasien des Managements in diesem Zusammenhang kaum noch halten lassen. Vielmehr ist auf ein Verständnis umzustellen, das anerkennt, dass nur kontrollieren kann, wer sich auch von anderen kontrollieren lässt. Und strukturell geht es um die Einsicht, dass PR nicht mehr allein auf Stabilisierung und Formalisierung von Unternehmensbeziehungen abstellen kann. Vielmehr hat sich PR im Web gerade auch flexibel auf solche Beziehungserwartungen einzustellen, die sich einer Formalisierung bewusst entziehen.
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FH-Prof Mag. Dr. Peter Winkler lehrt und forscht am Institut für Kommunikation, Marketing & Sales der FHWien der WKW. Sein Forschungsinteresse gilt soziologischen Zugängen zur PR- und Organisationskommunikationsforschung.