Eisenbahn und Social Web – Kann das gut gehen?
KOMM Absolvent Michael Schacherhofer schreibt über die ersten Schritte, eines der größten und komplexesten Unternehmen Österreichs ins Social Web zu führen und somit komplettes Neuland zu betreten.

Am Anfang aller Projekte stand auch hier die Analysephase. Es ging darum, einen Überblick zu bekommen, ob und wo es im Unternehmen schon Bestrebungen gab, das Social Web als Kommunikations- und/oder Marketingtool zu verwenden. Die Suche ergab etliche Treffer. Einige Abteilungen wie Marketing, HR und auch der Einkauf, hatten Absichten, das Social Web für ihre Zwecke zu nützen. Somit war nicht der nächste logische Schritt, eine Strategie zu entwickeln, sondern zunächst alle Beteiligten an einen Tisch zu holen und eine gemeinsame Vorgehensweise zu besprechen. Damals war allen bereits klar, dass es nur ein oberstes Ziel geben kann. Der Kunde darf nur eine Ansprechstelle im Social Web vorfinden. Die interne Lenkung der Anfragen müssen wir selbst bewerkstelligen.
Erst nach diesem Konsens konnte ich eine Strategie entwickeln, wie wir die ÖBB in den sozialen Netzwerken positionieren und vor allem, welchen Start wir wählen. Facebook-Pages und Twitter-Channels sind schnell und einfach aufgesetzt, es geht jedoch darum, die Kanäle nachhaltig zu betreiben. Hier haben sich für uns intern folgende Fragestellungen ergeben:
- Wie und woher bekommen wir die Informationen, um die Kanäle zu befüllen?
- Wie startet man eine Geschichte? Wählt man eine große Marketing-Inszenierung oder setzt man auf organisches Wachstum?
- Wie führen wir die Dialoge mit den Menschen?
All diese und noch viel mehr Fragestellungen sollen zu Beginn beantwortet werden können, bevor man sich in das „Abenteuer“ Social Web begibt.
Wie und woher bekommen wir die Informationen um die Kanäle zu befüllen?
In einem Unternehmen mit mehr als 40.000 Mitarbeitern in ganz Österreich ist es nicht möglich, hier als One-Man-Show zu agieren. Ich alleine würde in der Holding-AG die vielen spannenden und interessanten Dinge, die die Welt der Eisenbahn so einzigartig machen, nicht mitbekommen. Aus dem Grund haben wir eine Redaktionsstruktur geschaffen, um den Ablauf klar zu definieren und in der jeder seine Rolle kennt.
Wie startet man die Geschichte? Wählt man eine große Marketing-Inszenierung oder setzt man auf organisches Wachstum?
Diese Frage habe ich mir zu Beginn sehr oft gestellt. Es wäre möglich gewesen, die neuen Kanäle mit einer großen Marketing-Aktion zu starten, um schnell viele „Fans“ zu generieren. Doch sind wir wirklich darauf vorbereitet? Sind die internen Abläufe so gefestigt, dass wir dem Ansturm stand halten können, oder schaden wir uns dadurch nachhaltig? Die Antwort fiel klar auf organisches Wachstum. Die Eisenbahn hat in jedem Land eine sehr starke und gewachsene Community. Daher war mir klar, dass viele dieser „Opinion Leader“ den neuen Kanal entdecken werden und auch bewusst dorthin gehen. Das ganze erste Jahr war deshalb im Grunde von organischem Wachstum geprägt. Es wurden lediglich zwei bis drei Marketing-Aktionen über Facebook gespielt, aber nie mit dem Schwerpunkt, „Fans“ zu generieren. Diese Entscheidung stellte sich für uns als goldrichtig heraus. Ich möchte hier jetzt keine Pauschalaussage treffen, dass organisches Wachstum immer zum Erfolg führt. Nein, im Gegenteil – für andere Unternehmen können und werden auch andere Maßnahmen notwendig sein.
Wie führen wir die Dialoge mit den Menschen?
Aus meiner Sicht, ist dies die zentrale Frage eines jeden Social Media Auftrittes. Denn nur wenn von Beginn an eine klare Ausrichtung und Strategie dahinter steht, ist die Umsetzung nachhaltig.
Ein Satz, den ich auf so gut wie jeder Social Media Veranstaltung gehört habe, ging mir hier nicht aus dem Kopf. „Dialog auf Augenhöhe“ wird immer wieder als essentiell genannt. Doch ist es möglich, mit einer Marke auf „Augenhöhe“ zu kommunizieren? Ich habe die Aussage einfach wörtlich genommen und mir gesagt: “Auf Augenhöhe kann ich nur mit einem Menschen kommunizieren.“. So entstand die Idee, dass ich persönlich mit den „Fans“ kommuniziere und sie mit mir einen echten, und vor allem dauerhaften, Ansprechpartner haben – „Das Gesicht der ÖBB auf Facebook“.
Eisenbahn und Social Web – Kann das gut gehen?
Um auf die Eingangsfrage zurückzukehren. Ja, Eisenbahn und Social Web passen zusammen. Es hat sich im ersten Jahr gezeigt, dass wir mit der Strategie eines offenen Dialoges absolut richtig gelegen sind. Die „Fans“ konnten Vertrauen aufbauen. Sie haben gemerkt, dass ihre Anliegen ernst genommen werden. Auch wenn ich nicht jeden Wunsch erfüllen kann, was, denke ich, auch auf der Hand liegt. Aber im Dialog kann ich den Usern auch unsere Sicht der Dinge erklären und dann ist für viele plötzlich einiges klar und sie haben „Verständnis“ für die eine oder andere Entscheidung und können eher nachvollziehen, warum wir sie so treffen.

Am 24.11.2011 wurde das Projekt „Das Gesicht der ÖBB auf Facebook“ beim PR-Staatspreis als Kategoriesieger „Online und Social Media PR“ ausgezeichnet. Für mich eine sehr schöne Bestätigung, dass die Umsetzung, und vor allem die grundlegenden Entscheidungen hinter dem Auftritt, die richtigen waren. Das zeigt auch sehr schön die Jurybegründung:
Das Projekt „Das Gesicht der ÖBB auf Facebook“ wurde sehr bewusst als eigenständige Stimme geboren. Anders als bei anderen Unternehmensseiten auf Facebook wird hier nicht durch die Marke, sondern durch ein Gesicht, eine direkte Ansprechperson für Kritikpunkte und Fragen, kommuniziert. Durch diese Personalisierung wurde ein reales Gebilde für persönliche Gespräche auf Augenhöhe geboten. „Das Gesicht der ÖBB auf Facebook“ stellt ein Vorbild dar, wie man mit Transparenz auf den Sozialen Netzwerken wie zum Beispiel Facebook umgehen kann.
(Text: Michael Schacherhofer, KOMM-Absolvent)